Kategorie Urteil Sozialrecht

Urteil: Kein Schmerzensgeld bei E-Roller-Unfall

Ein blinder Fußgänger stürzte über zwei quer auf dem Gehweg abgestellte E-Roller (Scooter) eines gewerblichen Vermieters. In einem aktuellen Urteil entließ das Oberlandesgericht (OLG) in Bremen diesen aus der Verantwortung.

Auf dem Bild sind viele Lenker von E-Rollern zu sehen.
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Der Unfall ereignete sich auf dem Weg zur Arbeit. Zu Fall kam der blinde Mann, der im Straßenverkehr einen Langstock zur Orientierung benutzt, über E-Roller, die Nutzern im "free-floating-Modell" – also ohne festen Standort – zur Verfügung stehen. Durch den Sturz erlitt der Verunglückte einen Oberschenkelhalsbruch, der operiert werden musste. Seine Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro durch den Vermieter der E-Scooter wurde vom Landgericht Bremen abgewiesen, ebenso wie die Berufung vor dem OLG Bremen.

OLG schließt Haftung aus

In dem Fall liege keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, befand das OLG, der Scooter-Vermieter müsse daher nicht haften. Zwar sei er grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Nicht jeder Gefahr könne aber vorbeugend begegnet werden: Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließe, sei in der Praxis nicht erreichbar.

Bei der Aufstellung der E-Roller seien die behördlichen Vorgaben der dem Scooter-Vermieter erteilten Sondernutzungserlaubnis (SNE 2019) eingehalten worden, weil nur zwei E-Roller platziert wurden und die restliche Gehwegbreite mehr als 1,50 Meter betrug, nämlich 4,35 Meter. Die SNE 2019 gab laut OLG nicht vor, ob die Roller längs oder quer zum Gehweg aufzustellen seien.

Der Unfallort selbst berge keine besonderen Gefahren, stellte das OLG fest. Die E-Roller seien weder nahe einem Treppenaufgang noch nahe des Eingangs eines Seniorenheims, eines Kindergartens oder ähnlich platziert worden, wo mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen besonders schutzbedürftiger Menschen zu rechnen gewesen wäre. Sie standen demnach vor dem Schaufenster eines Eckladens, der Gehweg ist an der Stelle besonders breit und weist keine Besonderheiten auf.

Risiko bei Aufstellung parallel zur Hauswand

Dem Argument des Klägers, der Sturz wäre nicht eingetreten, wenn die E-Roller parallel zur Hauswand abgestellt worden wären, folgte das OLG nicht. Dadurch, dass die Scooter nur über einen Seitenständer verfügt hätten, sei bei einer parallelen (längsgerichteten) Aufstellung zum Gehweg die Standfestigkeit eingeschränkt. In der Folge hätte die Gefahr einer Schädigung von Personen auf der Gehwegseite durch umfallende E-Roller bestanden. Anders wäre die Situation zu bewerten gewesen, so das OLG, wären die E-Roller "kreuz und quer" aufgestellt gewesen und der Fußgänger hätte um sie herum laufen müssen. Schließlich müsse man im Bereich von Gehwegen immer mit Hindernissen wie etwa Mülltonnen oder Kinderwagen rechnen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof ließ das OLG nicht zu: E-Roller seien rechtlich mit Fahrrädern und Mopeds vergleichbar, zu Haftungsfragen in dem Zusammenhang gebe es ausreichend Rechtsprechung.

Urteil des Oberlandesgerichts Bremen vom 15. November 2023, 
Az.: 1 U 15/23