Kategorie Inklusion Barrierefreiheit Teilhabe

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Reisende mit Einschränkungen können den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn in Anspruch nehmen. Aber was tun, wenn trotz schriftlicher Anforderung niemand kommt, um zu helfen? Diese Erfahrung musste VdK-Mitglied Selina G. machen.  

Blick entlang einnes leeren Bahnsteigs und unbefahrener Gleisen
© pixabay

Mit dem Zug von Anschaffenburg nach Hof: Das sollte ihre erste eigenständige Reise sein. Selina G. freute sich schon darauf, ihre Freundin in Hof zu besuchen. Damit auf der Fahrt alles reibungslos laufen würde, hatte die 27-Jährige nicht nur die Tickets gebucht, sondern auch schriftlich den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn für Unterstützung beim Umsteigen auf dem Nürnberger Hauptbahnhof angefordert. Dass das Bahnhofspersonal dort bereitstünde, um zu helfen, wurde ihr in der Auftragsbestätigung der Bahn auch schriftlich zugesagt. 

Selina G. ist in ihrer Mobilität eingeschränkt; ihr Schwerbehindertenausweis trägt sowohl das Merkzeichen aG für außergewöhnliche Gehbeeinträchtigung als auch H für Hilflosigkeit. Allein, ohne Unterstützung ihrer Familie, unterwegs zu sein stellt für sie daher eine große Herausforderung dar, der sie sich dieses Mal aber stellen wollte, um an Selbstständigkeit zu gewinnen.   

Keine Hilfe, nirgends

Aber es kam anders: Durch Zugausfälle und Verspätungen konnte der Fahrplan nicht eingehalten werden. Selinas Mutter, die ihre Tochter zum Bahnhof gefahren hatte, sah, dass ihre Tochter auf jeden Fall ihre Anschlusszüge verpassen würde. Sie fuhr sie deshalb mit dem Auto bis Nürnberg und half ihr dort in den Zug nach Hof, wo sie von ihrer Freundin am Bahnsteig empfangen wurde. 

Auf dem Rückweg musste Selina wieder in Nürnberg umsteigen, dieses Mal alleine. Aber für diese Situation hatte sie ja extra den Mobilitätsservice angefordert. Doch als die junge Frau in Nürnberg ankam, war weit und breit kein Bahnhofspersonal zu erblicken: niemand, der ihr beim Aussteigen half, und niemand, der sie zum Bahnsteig und Anschlusszug begleitete. Hinzu kam ein defekter Aufzug, was den Weg zum richtigen Gleis für die 27-Jährige noch beschwerlicher machte. Also blieb Selina nichts anderes übrig, als Mitreisende um Hilfe zu bitten. Ein Erlebnis, das – fürchtet ihre Mutter –  die 27-Jährige in ihrer Bestrebung nach mehr Autonomie zurückgeworfen hat. 

Tipp für den Notfall

Auf Anfrage bestätigt eine Sprecherin der Deutschen Bahn AG, dass die Anforderung des Mobilitätsservices für Selina G. rechtzeitig am Nürnberger Hauptbahnhof eingegangen war. An jedem Tag leiste die Deutsche Bahn 2.000 Mal Einstiegshilfe auf allen Bahnhöfen im Bundesgebiet. Warum in diesem Fall niemand am Gleis erschien, um zu helfen, könne sie leider nicht sagen. 

Allen, die in eine ähnliche Situation wie Selina geraten, empfiehlt sie, am besten direkt die 3-S-Zentrale der Deutschen Bahn telefonisch zu kontaktieren. Im Internet (Externer Link:www.bahnhof.de/service/3-s-zentrale) finden sich die Telefonnummern aller regionalen Ansprechpartner für den Service auf den 5.400 DB-Bahnhöfen.  

Auch bei Selina hat sich eine Mitarbeiterin der Deutschen Bahn AG persönlich entschuldigt. Außerdem wurden ihr vom Fahrpreis 17,85 Euro erstattet und ein Gutschein in Höhe von 30 Euro für ihre nächste Zugreise geschenkt.