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"Armut macht einsam und krank"

Armut begegnet einem überall, dennoch ist sie ein Thema, das gerne übergangen wird. Der VdK-Bezirksverband Wiesbaden hat es unternommen, dieses Tabu-Thema in den Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion zu stellen. Mit Erfolg.   

Blick von hinten auf Publikum und Podium
Das Interesse an dieser Veranstaltung war groß. Damit alle Platz fanden, mussten im Bürgerhaus Erbenheim (Wiesbaden) zusätzliche Stühle aufgestellt werden. © VdK Hessen-Thüringen

Deutschland gilt als die viertstärkste Wirtschaftsnation, und dennoch waren 2023 hierzulande etwa 18 Millionen Menschen (14,3 Prozent) von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Im selben Jahr wurde erstmals Krankheit als häufigster Auslöser für Armut statistisch ermittelt. Krankheit ist aber ebenso eine Folge von Armut. So liegt die Lebenserwartung eines Mannes mit geringem Einkommen um mehr als acht Jahre unter der eines wohlhabenden Geschlechtsgenossen; bei Frauen beträgt die Differenz etwa 4,4 Jahre. 

Die vielen Gesichter der Armut, ihre Ursachen und wie sie sich bekämpfen lässt - um diese Fragen drehte sich die Podiumsdiskussion, zu der der VdK-Bezirksverband Wiesbaden geladen hatte. Nicht alle Gäste schienen dabei die Ansicht von Dr. Patricia Becher zu teilen. Die Wiesbadener Sozialdezernentin erklärte, Armut lasse sich nicht verhindern, sondern nur abmildern, und beschrieb die zahlreichen Maßnahmen, mit denen in der hessischen Landeshauptstadt versucht werde, insbesondere Familien in sozialer Notlage zu helfen. Der Sozialmediziner Professor Dr. Gerd Trabert, Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland, sieht dennoch die Politik in der Pflicht und verwies zum Beispiel auf die sozialen Sicherungssysteme, die es zu stärken gelte, um Menschen vor dem Abrutschen in Armut zu bewahren: “Unsere Sozialversicherung ist beitragsfinanziert. Um sie zu stabilisieren, brauchen wir eine hohe Beschäftigungsquote und vor allem ordentliche Löhne”, erklärte der 67-Jährige. 

Wie schnell es passieren kann, dass man durch Krankheit den Boden unter den Füßen verliert, schilderte VdK-Mitglied Bernd-Rainer Volz. Der 62-Jährige leidet an einer extrem seltenen Krankheit, so dass zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose 25 Jahre vergingen. In dieser Zeit hat Volz alles erlebt: Dauerkrankschreibung, Arbeitslosigkeit bishin zur Sperrung aller Leistungen für vier Monate, in denen er keinen einzigen Euro bezog und ihm mehrfach beinahe der Strom abgestellt wurde: “Langsam erhole ich mich und habe mittlerweile genug Kraft, um für andere in ähnlicher Lage zu kämpfen", sagte er. 

Hans-Jürgen Wittig, Mitglied im Landesvorstand des VdK Hessen-Thüringen, verwies auf die Armutsfalle Pflege. Eine Unterbringung im Heim ist kaum noch finanzierbar, und wer ein Familienmitglied zu Hause pflegt, muss meist beruflich kürzertreten, mit Folgen fürs eigene Einkommen und die Altersabsicherung. 

So düster die Analyse, so bedrückend die vielen Gesichter der Armut, die an diesem Abend beschrieben wurden - am Ende zeigten sich die fünf Gäste auf dem Podium dennoch kämpferisch und hoffnungsvoll. Unisono bekannten sie, dass sie großes Vertrauen auf die Zivilgesellschaft setzen, auf die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, die für andere da sind und für soziale Gerechtigkeit kämpfen. So wie der VdK.