Hörgeräte: Wann die Krankenkasse mehr als den Festbetrag zahlen muss

Für Menschen mit eingeschränkten Hörvermögen muss die Krankenkasse unter Umständen auch über den regulären Festbetrag hinausgehende Kosten für Hörhilfen übernehmen. 

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Kasse verweigert Kostenübernahme

Voraussetzung dafür, dass die Hörgeräte ein um fünf Prozent besseres Sprachverständnis ermöglichen als bei der Nutzung zuzahlungsfreier Geräte. So entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg im Fall einer Frau, deren Krankenkasse den Antrag der Versicherten auf Versorgung mit dem Hörsystem „KINDuro 3410“ für 3320 Euro ablehnte. Die Krankenkasse hatte ein zuzahlungsfreies Hörgerät zum Festbetrag von 1.483 Euro als ausreichend befunden: Im Vergleich mit diesem verbessere sich das Sprachverständnis mit dem beantragten Gerät nur geringfügig. Die den Festbetrag übersteigenden Kosten müsse die Frau deshalb selbst aufbringen. Auch der Widerspruch der Versicherten gegen den Bescheid hatte keinen Erfolg. Daraufhin erwarb die Frau das Hörgerät und zog vor Gericht.

In erster Instanz wies das Sozialgericht (SG) Cottbus die Klage der Versicherten ab. Das SG sah die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch als nicht erfüllt an: Ein hinreichender Funktionsausgleich habe auch mit dem zuzahlungsfreien Gerät erreicht werden können. Dieser Sicht widersprach das LSG und betonte, grundsätzlich seien Krankenkassen dazu verpflichtet, Behinderungen – etwa durch ein eingeschränktes Hörvermögen – weitestgehend auszugleichen. 

Messbarer Gebrauchsvorteil entscheidend

Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, erläuterte das LSG, sei nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Zwar müsse ein Hilfsmittel „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein und dürfe das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Entscheidend für die Kostenübernahme einer höherwertigen Versorgung sei ein messbarer Gebrauchsvorteil. 

Diesen biete die von der Klägerin beantragte Hörhilfe. Die Frau war mit dem teureren Hörgerät im Rahmen eines sogenannten Freiburger Sprachtests (Einsilbertest) ohne und mit Störschall besser in der Lage, zu hören und zu verstehen. Ohne Störschall erzielte sie eine um fünf Prozent erhöhte Sprachverständlichkeit. Dies bewertete das LSG als einen “wesentlichen Gebrauchsvorteil”. Es verurteilte in diesem Sinne die Krankenkasse zur Übernahme der gesamten Kosten für das Hörsystem „KINDduro 3410“. 

Das LSG hat die Revision zugelassen, da in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte Uneinigkeit darüber besteht, ob Messabweichungen von bis zu 5 Prozent einen wesentlichen oder nur einen – durch Berücksichtigung von Messungenauigkeiten – unwesentlichen Gebrauchsvorteil darstellen. Der Klärung dieser Rechtsfrage misst das Gericht grundsätzliche Bedeutung zu.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom 22. Februar 2024, Az.: L 14 KR 129/22