BGH: Wichtiges Urteil zu Pflege-rentenversicherungen
Wer eine bis Ende 2016 abgeschlossene Pflegerentenversicherung jetzt in Anspruch nehmen möchte, dem zeigt der Versicherer möglicherweise die kalte Schulter. Eine Entscheidung des BGH zeigt, woran das liegt, und was auf Betroffene zukommt.

Das Problem: Durch den Wegfall der Pflegestufen I bis III im Rahmen des 2017 in Kraft getretenen Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) sind die im Vertrag vereinbarten Bedingungen für die Auszahlung möglicherweise hinfällig geworden.
Denn nach dem PSG II wurden Begriff und Definition der Pflegebedürftigkeit reformiert. Die bis dahin geltenden Pflegestufen wurden abgeschafft und die Pflegegrade 1 bis 5 eingeführt. Dabei wurden Menschen mit kognitiven oder psychischen Einschränkungen – etwa Demenzkranke - stärker berücksichtigt. Wurde ein vor 2017 abgeschlossener Versicherungsvertrag nicht angepasst, entfiel möglicherweise das für die Zahlung einer Rentenleistung bei Pflegebedürftigkeit (Pflegerente) ursprüngliche vereinbarte Kriterium.
BGH: Versicherer müssen nicht automatisch zahlen
Ob betroffene Versicherte somit leer ausgehen, bleibt abzuwarten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im April 2024 entschieden, dass die Versicherer die in alten Verträgen vereinbarten Leistungen zumindest nicht automatisch zahlen müssen. In dem Verfahren stritten eine Frau mit einer 2014 abgeschlossenen privaten Invaliditätsversicherung mit Pflegerentenoption und ihr Versicherer um die Zahlung einer Pflegerente.
Laut Vertrag sollte eine Pflegerente bei der Einstufung der Versicherten in die Pflegestufen I, II oder III fällig werden. Als bei ihr 2019 wegen einer Krebserkrankung vom Medizinischen Dienst der Pflegegrad 2 festgestellt wurde, lehnte die Versicherung dies aber ab: Aus dem bestehenden Pflegegrad 2 sei nicht automatisch eine nach den Vertragsbedingungen maßgebliche Pflegestufe I zu schließen. Eine Umrechnung der im Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes zur Bestimmung des Pflegegrads ermittelten Punkte führe nach altem Recht nur zu einer Einordnung in die ehemalige Pflegestufe 0.
Vertragsanpassung setzt Tarifkalkulation voraus
Dagegen klagte die Versicherte und hatte vor dem Oberlandesgericht (OLG) Erfolg. Der BGH beurteilte den Fall allerdings anders. Er stellte zwar fest, dass durch den Wegfall der Pflegestufen eine vertragliche Lücke entstanden sei. Dennoch könne in dem konkreten Fall der Pflegegrad 2 nicht automatisch mit Pflegestufe I gleichsetzt werden. Denn das könne dazu führen, dass deutlich mehr Menschen Anspruch auf eine Pflegerente hätten als vom Versicherer ursprünglich kalkuliert – mit entsprechenden Auswirkungen auch auf die Höhe des vom Versicherten zu zahlenden Beitrags.
Der BGH hob das OLG-Urteil auf und verwies die Sache an das Gericht zurück, um zu prüfen, ob eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ("Störung der Geschäftsgrundlage") möglich sei, wobei die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen seien. Möglich sei auch, so der BGH, künftig individuell zu prüfen, ob der bestehende Pflegegrad einer alten Pflegestufe entspreche, gegebenenfalls durch ein medizinisches Gutachten.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2025
Az.: IV ZR126/23