Urteil stärkt pflegende Rentner und Rentnerinnen

Zur Information und Beratung verpflichtet ist ein Versicherungsträger grundsätzlich, wenn sich ein Versicherter mit einem Anliegen meldet. Aber auch darüber hinaus, etwa, um pflegende Angehörige auf die Option einer Teilrente hinzuweisen.

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In diesem Sinne entschied das Sozialgericht (SG) Hannover zugunsten einer Rentnerin, die nicht darüber informiert worden war, dass sie als pflegende Angehörige - zu ihrem Vorteil - eine Teilrente in Anspruch nehmen konnte. Das Gericht bezog dazu eindeutig Position: Der Rentenversicherer habe, heißt es in seinem Urteil, Versicherte über “zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeiten” aufzuklären, die von jedem Versicherten mutmaßlich genutzt würden.

Rentenversicherung wusste von Pflegetätigkeit

Die Frau, die seit dem 1. November 2018 eine Vollrente als Altersrente für langjährige Versicherte bezog, hatte rückwirkend eine Teilrente beantragt und dies damit begründet, dass sie im Jahr 2017 sowie über den 31. Oktober 2018 hinaus nicht erwerbsmäßig ihren pflegebedürftigen Vater versorgt habe. Sie argumentierte, der Rentenversicherungsträger hätte sie auf die Möglichkeit der Beantragung einer frei wählbaren Teilrente hinweisen müssen. Die Behörde versäumte dies, obwohl sie Kenntnis von der Pflegetätigkeit gehabt habe.

Klage auf Überprüfung des Rentenbescheids

Um ihre Ansprüche durchzusetzen, verlangte die Versicherte eine Überprüfung des Rentenbescheids von 2018 sowie eine entsprechende Neuberechnung der bewilligten Altersrente. Der Hintergrund: Beim Bezug einer Teilrente zahlt die Pflegekasse die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung weiter. Konkret heißt das, dass Teilrentner und -rentnerinnen auf diese Weise ihre spätere Rente steigern können. 

Die Teilrente

Grundsätzlich können sich nach dem 2017 in Kraft getretenen Flexirentengesetz alle Menschen mit Anspruch auf eine Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres für eine Teilrente entscheiden. Basis dafür bildet § 42 Sozialgesetzbuch VI. Die Regelung besagt, dass alle Altersrenten als Vollrente oder Teilrente gezahlt werden können. Der Anteil der Teilrente ist dabei beliebig wählbar, er muss lediglich mindestens 10 Prozent und maximal 99,99 Prozent der Vollrente betragen. 

Sinnvoll ist eine Teilrente den Experten des Portals „Ihre Vorsorge“ zufolge insbesondere für Menschen, die noch im Beruf bleiben wollen oder im Rentenalter einen pflegebedürftigen Angehörigen versorgen. Eine Alternative kann die Teilrente demnach auch für Personen sein, die vorzeitig in Rente gehen, die damit verbundenen hohen Abschläge jedoch vermeiden möchten, denn die wirkten sich bei der Teilrente weniger aus. Die Umstellung von der Teilrente auf die Vollrente kann mit dem Erreichen des Rentenregelalters jederzeit erfolgen – zum Beispiel mit 67.  

Wer eine Teilrente beziehen möchte, sollte laut Empfehlung der Verbraucherzentrale sowohl die Pflegekasse als auch die Rentenversicherung entsprechend informieren. Die Rente werde dann im Folgemonat umgestellt.

Entscheidung zugunsten der pflegenden Rentnerin

Das SG stellte fest: Ist der Rentenversicherung bekannt, dass eine Versicherte/ein Versicherter nicht erwerbsmäßig die Pflege eines Angehörigen übernommen hat, hat sie ihn über die Option einer Teilrente und die damit verbundenen versicherungsrechtlichen Vorteile zu informieren. Da ein solcher Hinweis nicht erfolgte, verurteilte das Gericht den Rentenversicherungsträger dazu, der Versicherten rückwirkend einen neuen Rentenbescheid auszustellen.

  • Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. Juli 2024, Az.: S 78 R 8/21